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Unterschätzt zu werden ist toll: "Netflix and the Culture of Reinvention"

  • Autorenbild: Hilmar Pfister
    Hilmar Pfister
  • 22. Okt. 2020
  • 2 Min. Lesezeit

Also saß ich damals im Büro des Englisch-Professors und fühlte mich überhaupt nicht gut. Gerade eben hatte ich meine mündliche Prüfung in englischer Literaturwissenschaft vergeigt. Aber so richtig. Der Professor murmelte etwas von „Das war jetzt aber nicht so gut“, rückte seinen Rücken gerade und blickte mich an. „Und was wollen Sie beruflich machen – mit dieser schlechten Prüfung“, sagte er, halb bedeutungsschwanger, halb mitleidig. „Nichts!“, hätte er wohl als Antwort erwartet. Stattdessen sagte ich: „Ich habe einen Vertrag bei der Tageszeitung unterschrieben, ich fange nächste Woche dort meine Ausbildung zum Redakteur an.“


Zack! Das saß, dachte ich damals. Es fühlte sich jedenfalls gut an – unterschätzt zu werden. Und das denke ich immer noch – zuletzt, als ich das wunderbare neue Buch von Reed Hastings und Erin Meyer las: „No Rules rules: Netflix and the culture of reinvention".





Reed Hastings, einer der Gründer von Netflix, berichtet darin über ein Treffen mit den Chefs von Blockbuster vor zwanzig Jahren. Netflix, damals dieser Dienst, der DVDs per Post verschickte und Blockbuster, damals die weltweit größte Franchise-Kette für den Verleih und Verkauf von Videokassetten, mit über 5000 Filialen in den USA. In dem Treffen wollte Reed Hastings die Chefs von Blockbuster überzeugen, dass es doch vorausschauend und klug sei, in einen Nischenanbieter wie Netflix zu investieren. Als Hastings den Kaufpreis für sein Startup nannte (50 Millionen Dollar), schauten sich die Chefs von Blockbuster entgeistert an und lachten. Sie lachten Reed Hasting aus. Was aus diesem Startup namens Netflix später wurde, dürfte bekannt sein. Was aus Blockbuster wurde, auch. Oder auch nicht. Blockbuster gibt es nicht mehr, die Chefs haben zu Ende gelacht. Doch Netflix wuchs nicht nur in Sachen Börsenwert (von null auf knapp 195 Milliarden Dollar) und Mitarbeiterzahl (von zwei auf 8600). Es ist auch zum Maßstab geworden, wenn es um Arbeitskultur und Bürokratievermeidung geht. Wie das funktioniert? In diesem Buch steht’s. Was ich von der Lektüre mitgenommen habe?

  • Erschaffe ein Arbeitsumfeld mit atemberaubenden Kollegen

  • Die Verantwortung für Mega-Entscheidungen sollte über viele verschiedene Bereiche verteilt werden und nicht entlang einer starren Hierarchie

  • Versuche nicht dem Chef zu gefallen – sondern übergeordneten Zielen

  • Wenn du scheiterst, sprich‘ darüber

  • Baue ein Unternehmen auf, dass sich extrem schnell an eine neue Umgebung und an unvorhergesehene Möglichkeiten anpasst

Die Franchisekette Blockbuster hat sich nicht daran gehalten. Nokia hat sich nicht daran gehalten. Kodak hat sich nicht daran gehalten.

Sie alle haben gelacht, als sich neue Möglichkeiten ergaben. Sie haben die anderen unterschätzt, ihnen nichts zugetraut.

Aber das sollte man tunlichst unterlassen. Auch in vergeigten mündlichen Uni-Prüfungen.

 
 
 

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